EU fördert Transfer von Forschungsresultaten aus dem Labor in die industrielle Biotechnologie
ERC Proof-of-Concept Grant für das Max-Planck-Institut Magdeburg
Dr.-Ing. Steffen Klamt, 50, Leiter der Forschungsgruppe Analyse und Redesign biologischer Netzwerke am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg, erhält 150.000 Euro vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC). Damit sollen neu entwickelte Strategien des metabolischen Designs von Mikroorganismen gemeinsam mit zwei industriellen Partnern in die biotechnologische Anwendung gebracht werden.
Mikroorganismen können ein breites Spektrum an Chemikalien aus erneuerbaren Ressourcen synthetisieren und werden in einer nachhaltigen Industrie weiter an Bedeutung gewinnen. Oftmals produzieren die Zellen die gewünschten Substanzen aber nicht von allein oder nicht effizient genug und müssen daher durch geeignete Interventionen im Stoffwechsel zu Hochleistungsproduzenten umfunktioniert werden.
In einem Vorgängerprojekt, welches ebenfalls durch einen ERC-Grant von der EU mit 2 Millionen Euro gefördert wurde, hat die Gruppe um Steffen Klamt in den letzten fünf Jahren eine Strategie zur Optimierung von mikrobiellen Produktionsorganismen etabliert. Dieser Ansatz verfolgt eine gezielte Manipulation des Energiestoffwechsels, durch den die Zellen gezwungen werden, noch mehr des gewünschten Produktes zu synthetisieren. In Laborexperimenten wurde nachgewiesen, dass diese Strategie für verschiedene Mikroorganismen und Zielprodukte zu teilweise bemerkenswerten Produktivitätssteigerungen führen kann.
Von der Grundlagenforschung in die industrielle Anwendung
Als nächster logischer Schritt soll nun − mit der finanziellen Unterstützung des ERC Proof-of-Concept Grants − die neue Technologie mit zwei industriellen Partnern in realistischen biotechnologischen Prozessen getestet werden. Dazu gehört das junge Hamburger Startup-Unternehmen COLIPI. Die Firma entwickelt Bioprozesse mit Hefen zur Herstellung verschiedener Lipide und Öle auf der Basis nachwachsender Rohstoffe und bietet damit nachhaltige Alternativen zu Pflanzenölen wie Palmöl für die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie. Beim zweiten Partner handelt es sich um das weltweit aktive Chemieunternehmen BASF SE. In dem geplanten Projekt wird es konkret um Bioprozesse zur Synthese von Aromastoffen gehen. In beiden Kooperationen soll der von der Gruppe Klamt entwickelte metabolische Eingriff in den jeweiligen Produktionsorganismen vorgenommen und hinsichtlich seines Potenzials für Produktivitätssteigerungen getestet werden. Sollte sich das neue Konzept dabei bewähren, könnte es Grundlage zur Optimierung anderer biotechnologischer Produktionsprozesse werden.
Über Steffen Klamt und seine Forschergruppe am MPI Magdeburg
Steffen Klamt, geboren 1972 in Magdeburg, studierte von 1992 bis 1998 Angewandte Systemwissenschaften an der Universität Osnabrück. Im Jahr 1998 begann er seine Forschungsarbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe Systembiologie am Max-Planck-Institut Magdeburg unter der Leitung des Gründungsdirektors Prof. Dr.-Ing. Ernst Dieter Gilles. Im Jahr 2005 promovierte er an der Universität Stuttgart zur computergestützten Analyse von Stoffwechselnetzen. Seit Januar 2009 ist Steffen Klamt Leiter der Forschungsgruppe „Analyse und Redesign Biologischer Netzwerke“ am Max-Planck-Institut in Magdeburg.
Die Gruppe forscht an der Schnittstelle von Biologie, Mathematik und Ingenieurwissenschaften auf den Gebieten der Systembiologie, synthetischen Biologie und Systembiotechnologie. Die Forscher kombinieren theoretische und experimentelle Methoden, um biologische Prozesse in Zellen und Organismen ganzheitlich (systemisch) zu verstehen und um sie schließlich, beispielsweise für biotechnologische Anwendungen, gezielt beeinflussen zu können. Die Gruppe entwickelt dabei unter anderem neue mathematische Ansätze, Algorithmen und entsprechende Software, die auch von anderen Forschern genutzt werden.
Mehr zu den ERC Proof-of-Concept Grants
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung exzellenter grundlagenorientierter Forschung in der EU. Die geförderten Forschungsprojekte sollen vor allem ein hohes Chancen-Risiko-Profil aufweisen sowie bahnbrechende Innovationen ermöglichen. Hieran anknüpfend hat der ERC mit dem sogenannten „ERC Proof-of-Concept Grant“ eine weitere Fördermaßnahme geschaffen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die bereits durch ein ERC-Projekt gefördert wurden, erhalten im Rahmen des Programms finanzielle Unterstützung in Höhe von 150.000 EUR für eine Förderlaufzeit von 18 Monaten. Ziel ist es, das wirtschaftliche Potential und den gesellschaftlichen Einfluss ihrer Forschungsergebnisse in die Anwendung zu überführen. Weitere Informationen finden sich hier: https://erc.europa.eu/apply-grant/proof-concept