MaxSynBio: Neues Forschungsprojekt zur Synthetischen Biologie
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) widmen das neue Forschungsvorhaben MaxSynBio gemeinsam der Synthetischen Biologie. An dem Großprojekt sind Arbeitsgruppen aus neun Max-Planck-Instituten in ganz Deutschland sowie einem theologischen Lehrstuhl der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg beteiligt. Das Projekt startete am 1. August 2014 und läuft zunächst bis Ende Juli 2017 mit der Option auf eine Verlängerung um weitere drei Jahre. Wissenschaftliche Koordinatoren des Vorhabens sind Prof. Dr.-Ing. Kai Sundmacher (MPI für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg, und Prof. Dr. Petra Schwille (MPI für Biochemie, Martinsried).
Was sind die grundlegenden Mechanismen biologischer Zellen, der Grundeinheit allen Lebens? Was ist das überhaupt – Leben? Und wie können wir biologische Strukturen gezielter für technologische Anwendungen einsetzen? Diesen Fragen widmet sich das neue Forschungsvorhaben MaxSynBio der MPG mit Unterstützung des BMBF.
Die Zelle als Fabrik
„What I cannot create, I do not understand.“ Dieses Zitat des amerikanischen Physikers Richard Feynman lässt sich auch auf die Lebenswissenschaften anwenden. Traditionell folgt die biologische Forschung dem Paradigma der reinen Beobachtung und Beschreibung: Biologische Materie wird untersucht, wie sie in der Natur vorgefunden wird. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse in der Molekular- und Zellbiologie hat sich in den Naturwissenschaften eine mechanistische Sichtweise biologischen Lebens etabliert. Darin kann die Zelle als hochkomplexe „Fabrik“ angesehen werden, ausgestattet mit „Maschinen“, die unterschiedlichste Aufgaben erfüllen. Maschinen kann man zerlegen und konstruieren. Daher hat sich in jüngster Zeit innerhalb der Lebenswissenschaften eine neue Forschungsdisziplin entwickelt, die sogenannte Synthetische Biologie. In der Synthetischen Biologie soll biologische Materie nicht nur beobachtet, sondern auch neu konstruiert werden.
Minimale Zellen, künstliche Zellen und Protozellen – Was ist Synthetische Biologie?
Ein übergeordnetes Ziel der Synthetischen Biologie ist es, eine minimale aber hinreichende Grundausstattung einer biologischen Zelle zu identifizieren. Welche Funktionen und damit welche Proteine und Gene benötigt eine Zelle, um die wichtigsten Aufgaben - Wachstum, Replikation und Stoffwechsel - zu erfüllen? Indem Wissenschaftler solche minimale und künstliche Zellen durch gezieltes Design konstruieren, möchten sie zum einen herausfinden, wie sich die allerersten Zellen aus der anorganischen „Ursuppe“ entwickelt und ausgesehen haben könnten. Deswegen werden solche minimale Zellen auch gerne als Vorläufer der heute auf der Erde lebenden Zellen, als sogenannte Protozellen, bezeichnet. Zum anderen könnte eine solche minimale Zelle auch die ideale Plattform sein, um weitere Funktionen zu installieren, die bestimmte technologische Aufgaben erfüllen, wie zum Beispiel die Produktion von Medikamenten, die Energiegewinnung oder der Abbau von Schadstoffen. Die Frage, wie Leben entstand, und das Ziel, biologische Materie für technologische Anwendungen zu optimieren, versucht man innerhalb der Synthetischen Biologie anhand zweier unterschiedlicher Konzepte zu beantworten: Top-down („von oben nach unten“) und Bottom-up („von unten nach oben“). In der ersten Variante wird das Erbgut existierender Zellen reprogrammiert, um diese zu modifizieren oder komplett neue Organismen zu entwerfen. Erste vielversprechende Erfolge konnten hierbei Wissenschaftler um den amerikanischen Biochemiker Craig Venter mit Arbeiten an einfachen Bakterien verbuchen. Diese Methode setzt jedoch einen existierenden und bereits funktionierenden, d.h. lebenden Organismus voraus. Aufgrund der Komplexität biologischer Zellen ist es daher im Top-down-Ansatz schwieriger, grundlegende Prinzipien des Lebens zu untersuchen.
Das Leben nachbauen – Stein für Stein
Einen komplett anderen und radikaleren Weg in der Synthetischen Biologie verfolgt das neue Forschungsvorhaben MaxSynBio mit dem Ansatz des Bottom-up. Hier bauen die Wissenschaftler aus biochemischen Bausteinen wie Lipiden, Proteinen und DNA – also nichtlebender Materie – biomimetische Strukturen neu zusammen, die Funktionen biologischer Zellen nachahmen sollen. Heutzutage gehen Forscher davon aus, dass eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben, sozusagen die Keimzelle, der Einschluss kleinster Räume war. Daher ist einer der ersten Schritte von MaxSynBio die Etablierung von winzigen, semi-permeablen Kompartimenten in Form von manipulierbaren Tröpfchen und Lipidvesikeln. Gleichzeitig soll ein „Baukasten“ mit den wichtigsten Bauelementen zusammengestellt werden, die dann in diese Kompartimente installiert werden, um zelluläre Funktionen wie Stoffwechsel und Energiegewinnung zu erfüllen. Mit dem Bottom-up-Konzept macht sich die Synthetische Biologie somit unabhängig von Mikroorganismen, die ihre eigene evolutionäre Geschichte mitbringen, und kann die neugeschaffenen Strukturen gezielt an die gewünschten Anforderungen anpassen.
Grenzüberschreitende Forschung – zwischen Biologie und Ingenieurskunst, zwischen Wissenschaft und Gesellschaft
Da im Bottom-up-Ansatz grundlegende Mechanismen der Biologie untersucht werden, ist dieses Konzept in der Grundlagenforschung angesiedelt, der sich die Max-Planck-Gesellschaft verpflichtet hat. Durch den Konstruktionsgedanken, der in diesem Projekt stark an die Prozesssystemtechnik angelehnt ist, reicht das Forschungsprogramm aber auch weit über konventionelle Herangehensweisen in den Lebenswissenschaften hinaus. Entsprechend arbeiten bei MaxSynBio Naturwissenschaftler gemeinsam mit Ingenieuren an der Umsetzung künstlicher biologischer Strukturen. Darüber hinaus wird sich der Lehrstuhl für Systematische Theologie II (Ethik) der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen den ethischen, soziologischen und philosophischen Aspekten der Synthetischen Biologie widmen. Dabei wird das Forschungsnetzwerk auch den engen Kontakt zur Öffentlichkeit suchen. Die beteiligten Max-Planck-Institute finden sich an den Standorten in Magdeburg, Marburg, Stuttgart, Göttingen, Mainz, Potsdam, Dortmund, Martinsried und Dresden.