Moleküle nach dem Vorbild der Natur bauen
Wasserstoff ist ein Energieträger der Zukunft und wird bereits als alternative Energiequelle, z.B. beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, getestet. Manche Mikroorganismen, also Bakterien und Algen, können Wasserstoff bei Raumtemperatur erzeugen. Forscher verstehen immer besser, wie Bakterien Wasserstoff erzeugen und welche Rolle die Enzyme dabei spielen. Wissenschaftler möchten die zugrunde liegen Prozesse nachvollziehen, um künftig mit künstlichen Systemen Wasserstoff produzieren zu können. In einem Kooperationsprojekt haben sich Forscher aus Magdeburg, Mühlheim und Uppsala der bakteriellen Wasserstofferzeugung gewidmet. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie.
Das Enzym, das den Wasserstoff herstellt, heißt Hydrogenase. Forscher wollen die Vorgänge in diesem Enzym verstehen und weitere Anhaltspunkte finden, auf welche Weise die Natur Wasserstoff produziert. Die Eisenatome in der Hydrogenase ermöglichen die biochemischen Vorgänge. Obwohl es schon eine Struktur und zahlreiche spektroskopische Untersuchungen von diesem Enzym gibt, konnte immer noch nicht exakt geklärt werden, wie das aktive Zentrum des Enzyms genau aussieht. Erst wenn die Chemiker die Elektronenstruktur in den Metallzentren kennen, ist es ihnen auch möglich, die Enzyme gezielt zu verändern oder nachzubauen.
Schwedisches Design für Moleküle
Chemiker von der Universität Uppsala in Schweden haben jetzt ein Molekül im Labor hergestellt, das dem Vorbild des Enzyms genau nachempfunden ist. Diese Nachbauten der Natur sollen zukünftig als künstliche Systeme zur biotechnologischen Wasserstoffproduktion dienen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für bioanorganische Chemie in Mülheim haben am schwedischen Molekül aufwändige Messungen mit Elektronenspinresonanz (EPR) vorgenommen, um es genau zu untersuchen.
Von der Natur lernen
Die Analyse und Interpretation der Messergebnisse wurde erst möglich durch Computerberechnungen vom Max-Planck-Institut in Magdeburg. Dr. Matthias Stein modellierte die zu erwartenden Ergebnisse am Rechner. Werte, die bei den spektroskopischen Aufnahmen am ursprünglichen Enzym ermittelt wurden, wurden mit den berechneten Werten des Modells verglichen. Mit Hilfe der rechnerischen Simulation konnte erstmals die elektronische Struktur eines solchen [FeFe]-Modellkomplexes detailliert analysiert werden. Durch das Design der schwedischen Modellverbindung in Anlehnung an das Bakterium konnte erstmals eindeutig gezeigt werden, dass im Bakterium ein Stickstoffatom im aktiven Zentrum vorliegt. Dies hat wahrscheinlich eine große Bedeutung als Zwischenstufe im enzymatischen Mechanismus der Wasserstofferzeugung.
Aufs Detail schauen und das große Ganze im Blick
Matthias Stein, 39, forscht am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg und baut dort eine Nachwuchsgruppe auf. Er simuliert Wechselwirkungen in oder zwischen Molekülen auf verschiedenen Zeitskalen. Matthias Stein sieht seine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Biologie, Chemie, Physik und mathematischen Modellierungen. Er möchte zelluläre Vorgänge und Veränderungen wie durch eine Lupe betrachten und auf atomarer Ebene verstehen.
Matthias Stein fasziniert es, “Experimente auf dem PC durchzuführen und verschiedene Modelle rechnerisch durchzuspielen.” Zu den Methoden, die er und seine Kollegen dabei einsetzen, zählen die Quantenmechanik, die molekulare und Brown‘sche Dynamik sowie die Bioinformatik und die Modellierung von Proteinstrukturen. Damit bringt er Werkzeuge in die Forschungsarbeit des Max-Planck-Institutes ein, die so vorher in Magdeburg nicht angewendet wurden. Am Rechner können somit nun Szenarien und Moleküle simuliert werden, die nicht oder nur schwer experimentell zugänglich sind. Um es den Wissenschaftlern zu ermöglichen, ihre aufwändigen Berechnungen durchzuführen, wird derzeit am Max-Planck-Institut Magdeburg ein leistungsfähiger Rechnercluster mit einer großen Rechenkapazität installiert.
Die Gruppe kooperiert eng mit den experimentell arbeitenden Fachgruppen des Max-Planck-Institutes unter anderem auf dem Gebiet der chemischen Prozesstechnik und der Biotechnologie, denn “die theoretischen Berechnungen müssen auch im Experiment bestätigt werden&rdquo, so Matthias Stein. Zukünftige Anknüpfungspunkte in seiner Arbeit sieht Matthias Stein auch in den Forschungsgebieten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Über Dr. rer. nat. Matthias Stein
Matthias Stein wurde 1971 in Berlin geboren. Von 1990 bis 1995 studierte er Chemie an der TU Berlin und der University of Manchester (UK). Dort erwarb er auch den Master of Science in Theoretischer Chemie.
Er promovierte 2001 in Biophysikalischer Chemie unter anderem über den Reaktionsmechanismus der Hydrogenase. Es folgte ein Gastaufenthalt an der Königlich Technischen Hochschule Stockholm, Schweden, von 2003 bis 2005.
In einem Biotechunternehmen arbeitete er zunächst als Gruppenleiter, dann als Gründer und Geschäftsführer in der computergestützten Entwicklung von Pharmazeutika.
Von 2005 bis 2010 war er an dem von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Forschungsinstitut EML Research gGmbH, jetzt Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS).
Seit Juli 2010 leitet Matthias Stein die Nachwuchsgruppe Molecular Simulations and Design am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg. Matthias Stein hat mehrere wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten und ist Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Vereinigungen, u.a. in der Gesellschaft Deutscher Chemiker.
Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Originalveröffentlichung
Özlen F. Erdem, Lennart Schwartz, Matthias Stein, Alexey Silakov, Sandeep Kaur-Ghumaan, Ping Huang, Sascha Ott, Edward J. Reijerse, Wolfgang Lubitz:
Ein Modell des aktiven Zentrums der [FeFe]-Hydrogenasen mit biologisch relevanter Azadithiolat-Brücke: eine spektroskopische und theoretische Untersuchung
Angewandte Chemie, 7. Februar 2011, (DOI: 10.1002/ange.201006244), 123, 1475-1479.